70 Jahre Frieden in Europa – mit diesem Thema haben sich Schüler der Goetheschule in der Woche vom 2. Bis zum 9 Mai beschäftigt. Neben Workshops am Wetzlarer Oberstufengymnasium erlebten sie dabei unter anderem ein Zeitzeugengespräch mit Pfarrer Matthias Storck, der von seinen Erfahrungen mit der DDR-Diktatur erzählte. Den Abschluss der Veranstaltung bildete der von den Schülern selbst organisierte und gestaltete Gottesdienst in der Hospitalkirche.

Hintergrund der vielfältigen Veranstaltungsreihe war der erste europäische Jugendworkshop, den die überparteiliche Europa-Union Lahn-Dill gemeinsam mit dem Kulturamt der Stadt Wetzlar und der Goetheschule organisiert hatte. Hierzu waren auch Schüler aus den Partnerstädten Pisek, Schladming, Ilmenau und Neukölln an Wetzlars allgemeinbildendes Gymnasium gekommen. Gemeinsam mit Wetzlarer Schülern beschäftigten sie sich unter anderem mit dem 8. Mai 1945 und der Frage, wie dieses historische Datum im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wahrgenommen wurde. Außerdem gingen die Schüler unter der Überschrift „Krieg im Frieden“ der Frage nach, inwiefern die vergangenen 70 Jahre in Anbetracht von Balkankriegen oder der Krise in der Ukraine als Phase des Friedens betrachtet werden können.

Einer der Höhepunkte der Veranstaltungswoche war der Gottesdienst in der Hospitalkirche, an dem auch Bürgermeister Manfred Wagner sowie die Stadträte Sigrid Kornmann und Karlheinz Kräuter teilnahmen. Den Gottesdienst hatten 17 Schüler eines Religionskurses an der Goetheschule mit Unterstützung ihres Lehrers Erek Bender geplant, organisiert und umgesetzt. Unterstützung erhielten sie von drei Schülerinnen des Musik-Leistungskurses. In der Predigt ging Conni Stöpper ausgehend von Paulus‘ Römerbrief der Frage nach der Bedeutung des Begriffes „Frieden“ nach. Dieser beinhalte auch die Vorstellung von „umfassendem Glück, Wohlergehen des Einzelnen und der Gemeinschaft, einem gelungenen Leben in gelungenen Beziehungen.“ Sie ging auch auf die Brüchigkeit und die Gefährdung des Friedens in Europa ein, die sich in den vergangenen 70 Jahren immer wieder gezeigt habe. „Darum müssen wir alle daran arbeiten, den Frieden […] voranzubringen“, sagte die Goetheschülerin.

In einem „Text zum Gedenken“ beschäftigten sich Maya Petri und Hannah Zirkel mit Gedanken zum 8. Mai 1945. Nach den Nazigräueln mit 60 Millionen Toten sei dieser Tag ein Datum von entscheidender historischer Bedeutung mit dem eine Gradwende in Deutschland und Europa begonnen habe. Die beiden Schülerinnen schlugen den Bogen zur Wichtigkeit dieses Tages für ihre eigene Generation und stellten fest, dass Sie keine Schuld an den Ereignissen zur Zeit des Nazi-Regimes treffe. Trotzdem trage ihre Generation Verantwortung: „Die Verantwortung dafür zu sorgen, dass die grausamen Ereignisse des Zweiten Weltkrieges nicht in Vergessenheit geraten, damit sich solche Entwicklungen nie mehr wiederholen können.“

Im Zeitzeugengespräch mit Pfarrer Matthias Storck erhielten die Teilnehmer Einblicke in das Innenleben der DDR-Diktatur. Storck wählte dabei einen anderen als den gewohnten Ansatz: Nicht Honecker, Gorbatschow oder Kohl, nicht große Strukturen, sondern vielmehr kleine mutige Aktionen seien es gewesen, die zum stetigen Wachsen und letztendlichen Erfolg der Oppositionsbewegung in der DDR geführt hätten. Storck baute seinen Vortrag nicht chronologisch auf, sondern schilderte in einzelnen Anekdoten seine Erfahrungen. So erfuhren die Schüler, welche Konsequenzen das einfache Tragen des Zeichens „Schwerter zu Pflugscharen“ auf dem Jackenärmel haben konnte, wie durch angedrohte Schulverweise oder eingeschränkte Bildungsmöglichkeiten Druck von Seiten des Staates ausgeübt wurde, oder wie selbst der eigene Vater zum Verräter werden kann. Denn Storck berichtete auch davon, wie ihn verschiedenen Menschen aus seinem engsten Umfeld an die Stasi verrieten, wie er in Untersuchungshaft landete und nach zehn Monaten von der BRD freigekauft wurde. Auf Schülernachfrage erklärte Storck, dass er den Verrat heute verstehen könne, da ihm inzwischen klar sei, welchen Druck das Regime auf sein Umfeld ausgeübt habe. Der für den Verrat Hauptverantwortliche habe sich jedoch bis heute nicht bei ihm entschuldigt und zeige keinerlei Schuldbewusstsein. Der Goetheschule überließ Storck zwei Exemplare seines Buches „Karierte Wolken – Lebensbeschreibungen eines Freigekauften“.

 

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BU
1:     Pfarrer Matthias Storck erzählte den Goetheschülern von seinen Erfahrungen mit der DDR-Diktatur.

2:     In Workshops gingen die Goetheschüler der Frage nach der Bedeutung des 8. Mai in den vergangenen Jahrzehnten nach.